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Sollte man sich von unrentablen Kunden trennen? Oder lieber nicht? CRM Best Practice

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Wie trennt man sich von seinen unrentablen Kunden?

Trennen Sie sich von Ihren unrentablen Kunden.“ Diese Aussage erhalten in der aktuellen, wirtschaftlich schwierigen Situation viele Unternehmen von Ihren Beratern. Unrentable Kundenbeziehungen können und sollten sich viele Unternehmen nicht leisten, auch nicht in guten Zeiten. Nur: „Wie trennt man sich von seinen unrentablen Kunden?“

So richtig diese Erkenntnis ist, bislang nehmen wir zwei typische Verhaltensweisen wahr: Einerseits werden Kundenbeziehungen aus Angst vor Umsatzverlust gar nicht durchgeführt. Andererseits führen Firmen Trennungen eher schmerzfrei und aktionistisch durch. Sie beweisen dann bei der Trennung von „schlechten“ Kunden in der Regel selten eine glückliche Hand.

Welche Beispiele gibt es hierzu?

Vor allem Banken bevorzugen den sprichwörtlich „kurzen Prozess“. Dort wird die Kundschaft, egal ob Privat- oder Firmenkunde, systematisch „aussortiert“. „Kein Grundrecht auf Bankkredit“ überschrieb etwa das Handelsblatt 2003 in einem Beitrag. Professor Axel Schmidt beschrieb darin ein drastisches Beispiel zum Thema: „Wie werde ich Kunden los?“. Er legte einen Brief auf den Tisch, in dem sinngemäß stand: „Wir legen keinen Wert mehr auf eine Geschäftsbeziehung mit Ihnen“. Solche oder ähnliche Formulierungen gibt es – man sollte es kaum glauben – tatsächlich des Öfteren. Andere Varianten der Finanzinstitute sind das Kündigen der Kreditlinien, Erhöhen der Konditionen oder das Auf-den-Prüfstand-Stellen von bestehenden Krediten.

Ein sehr bekanntes Beispiel aus 2007 ist von Sprint Telecom USA

Sprint Telecom in den USA hat über eine Analyse ermittelt, dass ca. 1.000 Kunden fast 40.000 Mal pro Monat anrufen. Und das, obwohl nach Aussage von Sprint die Beschwerde schon abschließend geklärt war. Sprint kündigte diesen 1.000 Kunden fristgerecht per Brief. Die Folge war ein unglaubliches Presse-Echo. Heute würde man Shitstorm sagen. Die Aktie fiel daraufhin um 32 Cent auf $21.55. Das Beispiel ist hier nachzulesen – in Wort und Bild.

In anderen Fällen wird der Kunde durch Lieferverzögerungen oder kurzfristige Sortiments-Änderungen verprellt. Die Vertrags- bzw. Kundenbeziehung wird an eine neue Tochterfirma bzw. einem Sub-Unternehmer weitergegeben. Auch kurzfristige Preiserhöhung zwingen den einen oder anderen zur Aufgabe der Geschäftsbeziehung. „Wie trennt man sich von seinen unrentablen Kunden?“ ist also keine leichte Aufgabe:

Was wäre weitere Optionen?

Deutlich geräuschloser ist das Einstellen der Zusendung von Werbesendungen.

Die Trennung von schlechten Kunden birgt aber ein nicht zu unterschätzendes Risiko: Kunden, die rüde vor die Tür gesetzt werden, behalten dies meist nicht für sich. Durch fehlende Diplomatie wird das wieder zunichte gemacht, was durch teuere Imagewerbung mühsam aufgebaut wurde. Social Media Timelines freuen sich wie die Geier auf das Aas.

Achtung! Bevor Sie die Entscheidung treffen,

sich von Kunden zu trennen, sollten Sie sich erst einmal zwei wichtige Fragen stellen:

Erstens: Habe ich alle Möglichkeiten ausgeschöpft und Voraussetzungen geschaffen, dass der Kunde bei mir Umsatz bzw. Deckungsbeitrag generiert?

Reagiert der Kunde nach einer ausführlichen Bedarfsanalyse Ihrerseits und gezieltem Service sowie Mehrwert- bzw. Cross-Selling-Angeboten nicht, dann liegt die Vermutung nahe, dass nicht alle Möglichkeiten der Kommunikation und vertrieblichen Maßnahmen ausgeschöpft wurden. Oder er hat wirklich keinen Bedarf (mehr).

Zweitens: Bewerte ich die Kunden nach den maßgeblichen Kriterien?

Viele Firmen orientieren sich bei der Bewertung, ob „gut“ oder „schlecht“, nur am Umsatz. Das ist jedoch die schlechteste Größe. Sinnvoll ist es, auf jeden Fall eine RFMR-Analyse sowie den Deckungsbeitrag zu berechnen. Auch das zukünftige Potenzial wäre wissenswert, aber vor dieser Analyse sollten die genannten Maßnahmen erst durchgeführt werden.

Was ist dann der nächste Schritt?

Auf Basis einer RFMR-Segmentierung kombiniert mit einer Kundendeckungsbeitragsanalyse lässt sich der Kundenstamm klar differenzieren und sich Maßnahmen einfach ableiten.

Auf Basis dieser Segmentierung sollten dann die Kunden-Segmente mit schwachem Deckungsbeitrag und geringer Kauffrequenz bzw. niedrigem Kaufbetrag genauer unter die Lupe genommen werden.

Kann ich die schwachen Kunden in einen online geführten Dialog überführen?

Anstatt weiterhin Vertriebsmitarbeiter vorbeizuschicken und teure Mailings oder Kataloge zu versenden, wird der Kunde künftig nur noch per E-Mail angesprochen. Der Katalog wird nicht automatisch, sondern auf Wunsch des Kunden ausgesandt.

Darüber hinaus kann man durch intelligente Anreizsysteme, Voting-Aktionen oder Angebotstests spielerisch sehr schnell die Bedürfnisse des Kunden herauskristallisieren. Daraus lassen sich wiederum Aktionen und Angebote ableiten, die sukzessive die Rentabilität des Kunden erhöhen.

Wer den Kundendialog so verschlankt und auf Online verlagert, hat einen entscheidenden Vorteil: Er kann, bei deutlich niedrigerem Budget, die Frequenz und die Intensität des Kundenkontakts erhöhen. Auf diese Weise lässt sich so mancher Kunde wieder aktivieren und rentabel führen – eine Chance, die viele Unternehmen derzeit ungenutzt lassen.

Wie trennt man sich von seinen unrentablen Kunden? Muss ich mich tatsächlich von ihm trennen?

Versandhandel- bzw. E-Commerce-Konzerne wie Otto versuchen, Kunden, die länger nicht bestellt und nicht auf Online reagiert haben, durch den Versand von ansprechend formulierten Postkarten zu aktivieren. „Sie haben schon länger nicht mehr bestellt. Haben wir etwas falsch gemacht? Sagen Sie uns bitte Ihr Problem! Wollen Sie auch weiterhin den Katalog erhalten? Wenn ja, dann senden Sie uns bitte diese Karte zurück.“

Der Kunde entscheidet über die Fortsetzung, nicht das Unternehmen.

Entscheidend an dieser Vorgehensweise ist, dass der interessierte Kunde selbst die Weichen für die Zukunft stellt. Denn auch ein vom Unternehmen als passiv eingestufter Kunde fühlt sich immer noch (selbst nach 2-3 Jahren) dem Unternehmen verbunden.

Fazit:

Wenn es kriselt (aber auch in der „normalen“ Zeit), ist mit einer Bedarfsermittlung und der Suche nach Fehlern im Kundenmanagement zu beginnen. D. h. erst einmal auf dem „eigenen Hof“ kehren.

Dann sind eine Segmentierung nach RFMR und die Analyse des Kundendeckungsbeitrags die nächsten Schritte. Daraufhin ist eine Segmentierung ein wichtiger Schritt. Wer ist rentabel und kauft oft oder selten? Wer kauft selten, aber für einen hohen Wert und ist dadurch rentabel?  Wenn möglich, viel auf digitalen Prozessen und durch Marketing Automatisierung bearbeiten.

Erst dann, wenn keine Chance auf Rentabilität vorliegt, kann eine dem Kunden zur Entscheidung unterbreitete Option zur Beendigung erfolgen.

Der Beitrag entstand 2003 zum ersten Mal und wurde mehrmals aktualisiert und überarbeitet. Zuletzt am 28.04.2021

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