Harald Henn, geschäftsführender Gesellschafter der Marketing Resultant GmbH,
über modernes Inbound – Marketing
Modernes Inbound Marketing: Das Tante-Emma-Prinzip wird heute gerne und oft zitiert, wenn Unternehmen an individuelles, wertschätzendes Kundenmanagement denken. Bei einer überschaubaren Anzahl von Kunden, wenigen – um genau zu sein – einem Kommunikationskanal und einer kleinen Anzahl von Produkten, war es für Tante Emma auch nicht besonders schwer, individuell und persönlich auf den Kunden einzugehen.
In „meinem“ kleinen Laden auf dem Dorf reichte die Bestellung „200 gr. Käse“ und Tante Elisabeth – so hieß die Tante Emma im Westerwald –, packte 200 gr. Gouda (wohl wissend um die Vorliebe) und nicht Emmentaler ein. Kundenpräferenzen, Kontakthistorie … all das spielte sich in Echtzeit in Tante Elisabeths Kopf ab.
Tante Emma 2.0
Modernes Inbound: Heute, im August 2018, gibt es den kleinen Dorfladen nicht mehr. In vielen Geschäften kann ich sowohl im Internet als auch vor Ort bestellen. Ich kann anrufen, eine E-Mail schreiben und das Personal an der Kasse hat schon lange keinen persönlichen Bezug mehr zu mir. Die Anonymität hat zugenommen, die Anzahl der Kontaktkanäle ist in den vergangenen Jahren explodiert. Der Wunsch, individuell angesprochen und betreut zu werden, ist geblieben. Für die Unternehmen heißt es jetzt, das Tante-Emma-Gefühl bei allen Interaktionen mit dem Kunden auf einem modernen, zeitgemäßen Niveau wiederherzustellen.
Jetzt braucht es einen Dirigenten
Kein Orchester kommt ohne Dirigenten aus. Ohne ihn kann schnell eine Kakophonie entstehen; Zuhörer und Publikum suchen das Weite. Moderne Customer Service oder Call Center sind in vielerlei Hinsicht mit einem Symphonieorchester vergleichbar. Die verschiedenen Kommunikationskanäle wie Anrufe, E-Mails und Chat-Anfragen wollen und müssen ebenfalls dirigiert werden, damit Kunden keine Irritationen erleiden. Oder, um bei unserem Bild von Tante Emma zu bleiben: Kunden möchten nicht den Eindruck gewinnen, Tante Emma bzw. Tante Elisabeth sei seit dem zurückliegenden Einkauf dement geworden und könne sich an nichts erinnern.
Vor zehn, 15 Jahren war das Dirigieren eines Call Centers oder einer Customer-Service-Organisation zwar kein Kinderspiel, aber auch nicht sonderlich herausfordernd. Es gab im Wesentlichen zwei Solisten – das Telefon und die E-Mail – und die Kunden waren auch nicht besonders anspruchsvoll. Wartezeiten wurden toleriert, hin- und herverbinden war an der Tagesordnung, zwei, drei oder auch mehr Anläufe, um ein Problem zu lösen, stellten keine Seltenheit dar. All dies wurde ohne großes Murren in Kauf genommen.
Inzwischen ist das Publikum, sprich die Kunden, anspruchsvoller geworden. Weder Wartezeiten, noch inkompetente, nicht fallabschließende Antworten werden heute toleriert. Die Messlatte an gutem Service wird durch Unternehmen wie Amazon jeden Tag ein wenig höher gelegt. Und die Zunahme der Medien sowie das geänderte Kommunikationsverhalten tun ein Übriges, um den Ruf nach einem Dirigenten lauter werden zu lassen.
Smartphones: zentrale Kommunikationsplattformen für Kunden
Smartphones entwickeln sich dabei zur zentralen Kommunikations-Schnittstelle des Kunden. Telefonieren, Chatten, WhatsApp benutzen, eine E-Mail absenden, im Internet Produkte vergleichen, anrufen, sind heute selbstverständlich. Das Wechseln der Kanäle und Medien ist sehr einfach möglich und Kunden verhalten sich in ihrer Mediennutzung opportunistisch. Genutzt wird der Kanal, der gerade am zweckmäßigsten erscheint. Der Druck, zeitnah auf diese Form der Kommunikation zu reagieren, tut dann ein Übriges, eine nie dagewesene Komplexität in der IT-Infrastruktur und der Organisation der Unternehmen zu erzeugen.
Omnichannel-Orchester benötigt Integration
Modernes Inbound: Die große Herausforderung besteht darin, die verschiedenen Systeme, insbesondere die Call Center-/Customer-Service-Anwendungen so zu verknüpfen, dass die Ergebnisse aus der E-Mail-Kommunikation, aus einem persönlichen Beratungsgespräch in der Filiale, aus dem Telefonat, an einer zentralen Stelle zusammenlaufen. So haben Mitarbeiter jederzeit den kompletten Zugriff auf alle Kundeninteraktionen wie auch auf die notwendigen Systeme für die Beratung.
Diese Integration sämtlicher vorhandenen Systeme in eine einfach zu handhabende Oberfläche ist nicht trivial. Unified-Desktop-Systeme setzen genau hier an, um eine Omnichannel-Konzeption zu ermöglichen. Nach außen hin alle verfügbaren Kanäle an ein zentrales System für die Mitarbeiter anzuschließen, damit ein unnötiger, zeitaufwendiger Wechsel zwischen den Systemen vermieden wird. Nach innen hin alle notwendigen Systeme wie CRM, Fachanwendung mit den notwendigen Daten und Kundeninformationen mit einer zentralen Anwendung für die Mitarbeiter zu verknüpfen. Oder anders ausgedrückt: Ganz gleich, über welchen Kanal ein Kunde mit einem Unternehmen kommuniziert – die „Tante-Emma-Informationen“ sind schon auf dem Bildschirm des Mitarbeiters: Kundenwert, Interaktion, zurückliegender Kauf, bevorzugte Produkte. Selbst Empfehlungen für einen möglichen, nächsten Schritt – neudeutsch next best action – lassen sich aus Echtzeit-Predictive-Analytics-Systemen in ein Unified-Desktop-Konzept integrieren.
Unified Desktop: alle relevanten Informationen auf einen Blick
Dieser beschriebene Ansatz der Synchronisierung der Kanäle und Integration von Anwendungen in einer Oberfläche – Unified Desktop – ist keine Fiktion. Unternehmen mit einem hohen Volumen an Interaktionen über verschiedene Kanäle und einer Call-Center- oder Customer-Service-Historie, wie Cosmos Direct, oder IngDiBa , sind einige Beispiele für Unified-Desktop-Umsetzungen.
Über Harald Henn:
Harald Henn, geschäftsführender Gesellschafter der Marketing Resultant GmbH, Mainz konzipiert und optimiert Digital-Customer-Service-Projekte, entwirft und setzt Customer-Experience-Management-Projekte um und optimiert Call Center auf der Basis von mehr als 20-jähriger Projekterfahrung. Er ist Herausgeber mehrerer E-Books zum Thema Chatbots und AI im Customer Service, Digital Customer Service und Contact Center.
Sein Know-how basiert auf mehr als 15 Jahren Erfahrung in leitenden Marketing und Vertriebsfunktionen für amerikanische Unternehmen aus der IT-Branche. Zuletzt war er als Marketing-Leiter der Dell Computer GmbH für den erfolgreichen Markteintritt in Deutschland verantwortlich. Er wirkt auf zahlreichen Veranstaltungen als Redner zu aktuellen Customer-Service- und Customer-Experience-Management-Themen mit.
Bildunterschrift: Exemplarische Darstellung eines Unified Desktop Ansatzes. Quelle: Marketing Resultant